Magie der Alltagspoesie - MARKTSAM

Magie der Alltagspoesie

Ali hat sich nach unserem Aufruf bei uns als Künstlerin beworben. Mit ihren selbstgemachten Karten, die aus Altpapier recycelt werden, hat sie direkt unser Herz gewonnen. Wie sie auf diese Idee kam und was Ali sonst noch so beschäftigt, erfahrt ihr hier.


Warum heißt dein Label eigentlich “Die Alltags Poetin”?

Vor ein paar Jahren ging es mir psychisch nicht sehr gut. Das hatte vor allem damit zu tun, dass ich einen Job hatte, der nicht für mich bestimmt war und ich mit Dingen aus meiner Vergangenheit zu kämpfen hatte. Eine Quarterlife-Crisis könnte man das vermutlich nennen… Mir hat es damals geholfen, den Fokus zu ändern, wie bei einer manuellen Kamera. Die großen schweren Dinge einfach mal verschwimmen lassen und sich wortwörtlich auf kleine Schönheiten konzentrieren - die Poesie des Alltags. Eine Blume, den Duft von frischem Kaffee, eine Schneeflocke, die vom Himmel rieselt. Plötzlich war alles gar nicht mehr so schwer und aussichtslos. Das hat mir sehr geholfen und wurde irgendwie zu meiner Lebensphilosophie. 
 

Wie kamst du auf die Idee, Papier zu schöpfen?

Die ganze Sache mit dem Papierschöpfen kam relativ “ungeplant”. Vor ein paar Jahren arbeitete ich als Texterin in einer Agentur & startete nebenher einen kleinen Etsy Shop mit handgemachten Karten. Damals kaufte ich das Material noch ein. Ich beschriftete oder bestickte gekauftes Büttenpapier und nähte es im Anschluss mit der Nähmaschine auf eine Postkarte aus Kraftkarton. Aber dann war da noch das ganze Altpapier, das durch meinen Job anfiel. 


Da der Herstellungsprozess von Büttenpapier traditionell aufwändig ist, liegt das Papier preislich recht hoch. Daher schlug mein Vater vor, das Papier einfach selbst zu machen - Material war ja genug da - und so startete ich einen ersten Versuch. 


Ich schlug mit meiner anfänglich experimentellen Papiermachaktion also irgendwie zwei Fliegen mit einer Klappe: Das Nutzen von Ressourcen, die ich sonst nicht nutzen würde und die im Abfall landen würden & der finanzielle Vorteil durch das Einsparen von Materialkosten. Einziges Investment damals: Ein kleiner Bottich und meine Zeit.
 

 
Wie genau macht man Papier?

Büttenpapier selbst zu machen ist gar nicht so schwer. Man braucht ein Grundmaterial wie beispielsweise Altpapier, zwei Rahmen - von denen einer mit einem Netz bespannt wird (zB mit einer alten Strumpfhose oder einem Fliegengitter), etwas zum Mixen, Wasser, ein Handtuch & etwas Zeit. Das Altpapier wird eingeweicht und gemixt (das nennt sich dann Pulpe) und im Anschluss in eine Wanne mit Wasser gegeben. 


Der Rahmen ohne Netz wird auf den Rahmen mit Netz gelegt und beides zusammen taucht man in die Wanne - die sogenannte Bütte - mit dem Gemisch aus Wasser und dem aufgeweichten und gemixten Altpapier. Es sammeln sich einige der aufgeweichten und gemixten Papierfasern im Inneren des oberen Rahmen - das ergibt unser neues Blatt Papier. Dann taucht man die Rahmen wieder zügig auf und lässt das überschüssige Wasser abtropfen.

 
Danach nimmt man den oberen Rahmen (im Englischen “Deckle”, also Deckel) vom unteren Rahmen (im Englischen “Mould”, also Form) und stülpt den unteren Rahmen mitsamt der gewonnenen Papierschicht auf das Handtuch. Je feiner das Handtuch, desto feiner die Papierstruktur. Mit einem Schwamm kann man nochmal überschüssiges Wasser abtupfen, bevor man dann den Rahmen vorsichtig vom Handtuch hebt. 


Übrig bleibt der nasse Bogen auf dem Handtuch, der zum Trocknen aufgehängt werden kann. Um die Bögen glatter zu bekommen, kann man sie anschließend in einer Blumenpresse oder zwischen Büchern pressen. 
Da ich nun recht viel Papier schöpfe, habe ich mittlerweile einige zusätzliche Werkzeuge angeschafft, die mir die Arbeit erleichtern. Alles fängt mal klein an :) 

Wie genau kann man dein Papier denn benutzen? Muss man etwas beachten?

Das Schöne an Büttenpapier ist der ungleichmäßige Rand, der Büttenrand. Das macht das Papier besonders attraktiv für feine und minimalistische Papeterie. Ich selbst nutze das Papier weniger zum Malen oder Zeichnen, sondern bedrucke es mit einem Tintenstrahldrucker für beispielsweise Hochzeits- und Businesspapeterie. 
 

 
Diese Techniken kann ich empfehlen: 

  • Bedrucken mit einem Tintenstrahldrucker
  • Gouachemalerei
  • Acrylmalerei
  • mit der Schreibmaschine beschriften
  • Zeichnen/ Schreiben mit Holzstiften
  • Zeichnen/ Schreiben mit Gelstiften

Das klappt nicht so gut:
  • Aquarellmalerei (das Papier nimmt viel Wasser auf)
  • Ölmalerei
  • Tinte & Tusche
  • Beschriften mit Brushpens und Filzstiften (dafür ist das Papier zu rau)


Wenn dich noch mehr interessiert, wie ich das Papier gerne nutze & welche Tipps ich geben kann, findest du auf meinem Youtubekanal ein bisschen Inspiration. 


Was macht dir besonders Spaß am Papierschöpfen?

Papierschöpfen war für mich von Anfang an schon fast etwas therapeutisches. Ich habe mich als Texterin nie wirklich 100% wohlgefühlt und das Schöpfen von Papier hat mich mit einer ganz tiefen Ruhe erfüllt. Das Plätschern der Tropfen, wenn sie von den Rahmen perlen, die Papierfasern auf der Haut, wenn man den Rahmen in die Bütte eintaucht, das alles hat etwas Magisches an sich, in das ich mich sofort verliebt habe und das mir Ruhe und Frieden schenkt. Irgendwann kann ich euch in meinen kleinen Laden zu einem Workshop einladen, dann könnt ihr mit mir eintauchen & wisst genau, wovon ich spreche :) 
 

 
War es schon immer dein Traum, eigene Produkte herzustellen?

Ich war schon immer eine Schenkerin und Macherin. Die meisten Erinnerungen an meine Kindheit sind geprägt von kreativer Zeit, Basteln, Malen und dem Verschenken der entstandenen Werke. Anderen eine Freude machen zu können, mit etwas Besonderem, war schon immer das Schönste für mich. 
Ich weiß irgendwie gar nicht, wann ich angefangen habe davon zu träumen, eigene Produkte herzustellen und zu verkaufen. Vielleicht war es schon immer ein ganz tiefes Bedürfnis. Aber wie wunderbar ist es, dass man etwas mit seinem ganzen Wesen erträumt und erschafft und anderen damit eine Freude machen und sie zum Kreativwerden anregen kann. Denn mein Papier ist ja nur der Anfang für weitere kreative Reisen. Das ist wirklich der größte Traum! 


Was liebst du am meisten an deiner Arbeit? 

Aktuell vertrauen mir immer mehr Paare und Menschen mit Small Business - neben dem Verkauf von blanko Papier - das Erstellen von besonderer Papeterie für verschiedene Ereignisse an. Hoch im Kurs sind gerade vor allem die Hochzeitspapeterie und Gutscheine für kleinere Labels.
 

 
Ich finde es einfach so schön, dass immer mehr Menschen auf nachhaltige Papier-Alternativen für ihre besonderen Anlässe zurückgreifen und mein Label so ein kleiner Teil von etwas ganz Großem werden darf. 
Und wie toll ist es außerdem, dass kreative Menschen ganz wunderbare Kunstwerke auf dem eigenen Papier entstehen lassen? Blows my mind… 


Was sind deine Pläne für die Zukunft?

Ursprünglich komme ich aus dem therapeutischen Bereich. Ich habe ein Grundstudium in der Kreativ-Therapie und werde diesen Sommer (2023) eine Weiterbildung zur Poesie- & Bibliotherapeutin anfangen. Neben dem Schöpfen von Papier ist das Schreiben von Texten ein großer Teil von mir. 
 

 
Ich träume groß und hoffe,  ich in ein paar Jahren einen eigenen kleinen Laden haben darf. Einen Ort, an dem Papier und Poesie eine große Rolle spielen, aber auch Workshops, Beratungen und Coachings stattfinden. Ich möchte gerne Schreibwerkstätten anbieten und Raum schaffen, wo Herzensprojekte realisiert werden, weil man sich gegenseitig ermutigt und miteinander lernt und wächst. 
Ich möchte einen Ort schaffen, an dem Kreativität und Heilung Hand in Hand gehen. Das ist wirklich mein größter Traum. 

Was würdest du deinem früheren Ich sagen, dem Ich, bevor du “Die Alltags Poetin” gegründet hast? 

Alles wird gut. Du darfst auf deine Intuition und dein Bauchgefühl hören, dich selbst und deine Träume ernst nehmen und die Stimmen um dich auch mal ausblenden. 

Und was würdest du neuen Künstler*innen raten?

Ich schließe mich Lina’s Antwort an: Vergleiche dich nicht und bitte um Hilfe, wenn du nicht weiterkommst. 
Vor allem mit dem Vergleichen habe ich auch noch viel zu kämpfen. Abstand von Social Media zu nehmen hat mir dabei sehr geholfen. Einfach loszulegen und auszuprobieren war für mich der beste Start. Dinge nicht zu zerdenken und Perfektionismus ruhen zu lassen, hilft oft ungemein. Außerdem war es für mich ein großer Gamechanger, mir Jahresziele für mein Business zu stecken und diese über die Monate runterzubrechen. Das hat mir besonders geholfen, weil ich manchmal nicht mehr wusste, wo ich mit meinem Label eigentlich hin möchte & was ich WIRKLICH erreichen will. 
Was mir aber am meisten geholfen hat und was ich wirklich raten kann, ist, sich mit Menschen zu verbinden, die die gleiche Leidenschaft haben wie man selbst. Der Austausch ist goldwert! 
 

Was erhoffst du dir von deinem Auftritt bei MARKTSAM?

Ich bin einfach super dankbar für die tolle Möglichkeit, ein Teil von MARKTSAM sein zu dürfen. Ich liebe es, wenn nachhaltige Marken sich zusammentun. Daher erhoffe ich mir vor allem, dass wir eine neue Achtsamkeit erschaffen können, was Nachhaltigkeit betrifft. Nachhaltigkeit ist nicht unerreichbar und utopisch, sondern eigentlich das natürlichste und schönste der Welt. Ich bin schon gespannt, wohin uns die Reise führt :)!

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